Merry Christmas, Cherry Loster

Was könnte Cherry Loster von Rich wollen, war die Herausforderung. Cherrys Text dazu könnte tatsächlich der Beginn unseres zweiten Romanes werden:

Cherry Loster, 24.12.2017:

Weihnachten ist die Zeit der Freude und des Friedens, eine Zeit wo der Truthahn im Kreis der Familie am allerbesten schmeckt... doch nicht jeder hat dieses Glück. So mancher bzw. so manche sitzt genau an diesen Tagen so richtig tief in der Scheiße - so wie meine Protagonisten Cherry Loster:
Merry Christmas

Das hatte ich doch wieder mal toll hingekriegt. Andere hatten ihren Truthahnbraten mit Süßkartoffeln und Geschenke im Kreis ihrer Lieben. Und ich? Ich saß hier im Gefängnis – alleine. Vollkommen unschuldig, nicht dass ich nicht gute Lust gehabt hätte, das Schwein selbst aufzuschlitzen. Aber Tatsache war nun mal, dass ich es nicht getan hatte. Ich hatte den ehemaligen Bundesrichter, John Adam Sterkovich, nicht in seinem eigenen Haus gefoltert und dann mit dem Messer kastriert. Es war eine abgekartete Sache, die Rache derer, denen ich auf die Zehen getreten war, die ich bloßgestellt - und was ihnen am meisten wehgetan hatte – denen ich den Geldhahn zugedreht hatte. Jedenfalls hatte ich mit Sterkovich kein Mitleid, am liebsten hätte ich dessen Peiniger Beifall geklatscht – wenn er seine Tat nicht gerade mir in die Schuhe geschoben hätte.
Natürlich hätte ich meinen alten FBI-Freund Andy um Hilfe bitten können, aber ich wollte ihm und seiner Adoptivtochter Melli nicht das Weihnachtsfest verderben. Die Kleine hat sich ein schönes Weihnachtsfest mit Weihnachtsmann, Rentieren, Weihnachtsbaum und dem ganzen Klimbim verdient. Schade, ich hätte so gerne gesehen, wie sie die Weihnachtskugel mit den Elfen auspackt, sie schüttelt und das glitzernde Schneegestöber beobachtet. Trotz allem was die kleine Maus durchgemacht hatte, glaubte sie immer noch an gute Feen und Elfen, im Gegensatz zu mir.
Mein Blick fiel stirnrunzelnd auf den ungefähr dreißigsten angefangenen Brief, an die vermutliche einzige Person, die mir die Mordanklage vom Hals schaffen konnte. War nur die Frage, ob sie auch wollte. Immerhin hatten wir zwar Einiges gemeinsam erlebt, aber Freunde waren wir nicht geworden, nicht wirklich. Dabei hatten wir Geschichte geschrieben – Weltbewegendes ans Tageslicht gebracht und Leben gerettet.

Ich hasste es Briefe zu schreiben. Vielleicht sollte ich ihn doch besser anrufen. Ich hatte seine Nummer noch immer. Doch was sollte ich sagen? Hi Nici, ich bin's Cherry? Du weißt schon, Cherry Loster aus New Orleans. Hm – ich glaubte zwar nicht, dass er mich vergessen hatte, aber ob ich so einen bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen hatte, wie er bei mir, daran hatte ich so meine Zweifel. Immerhin erinnerte ich mich nur zu gut daran, dass er zuletzt nur Augen – und nicht nur Augen *hüstel* - für das blonde Ding namens Beryl, Ruby, Chrystal oder wie auch immer sie hieß, in Starbucks hatte. Ich hatte keine Ahnung, wie ich reagieren würde, wenn ich ihn um Hilfe bäte und er mich mit dieser Tussi verwechseln würde. Andererseits konnte ich mir kaum vorstellen, dass er dieses Püppchen eines blutigen Mordes inklusive Kastration für fähig hielte.

Ich hatte noch einen Anruf frei und schweren Herzens zerknüllte ich das letzte Blatt Papier in meiner Zelle. Mein Magen verkrampfte sich, aber ich wusste tief in meinem Innern, wenn ich nicht jedes verdammte Weihnachten meines restlichen Lebens im Knast verbringen wollte, würde ich ihn - Niclas Richmond, Privatdetektiv und Journalist, Arschloch mit Sixpack und gut verstecktem Herz, anrufen müssen. Er war der Einzige, den ich fähig hielt, meinen Arsch zu retten ...

Und wer jetzt wissen will, ob Nici - Niclas Richmond ein harter Kerl mit Herz ist oder doch nur ein Schwerenöter, sollte mal hier nachlesen:

Merry Christmas - Nici, Merry Christmas Neal Skye

Richs Part (von Neal Skye):

Eigentlich hörte ich Nachrichten auf meiner Mailbox sofort ab. Immerhin konnte mal etwas Wichtiges dabei sein. Aber nachdem die Ereignisse der letzten Wochen sich so dermaßen überschlagen hatten und da es offenbar niemand aus meiner "kleinen  Familie" gewesen war, der eine Nachricht hinterlassen hatte, war ich einfach darüber hinweggekommen. Nun saß ich hier am zweiten Weihnachtstag in meinem Arbeitszimmer und schmunzelte über die weihnachtliche Dekoration. Nie zuvor war mir auch nur in den Sinn gekommen, einen Adventskranz aufzustellen oder gar Kerzen anzuzünden. 'Irgendwie hat sich alles geändert', dachte ich und obwohl ich an diesem Tag alleine war, war ich glücklich. Ich fütterte meinen CD-Player mit einer alten CD mit irischen Weihnachtsliedern, die einst meinem Vater gehört hatte. Früher hatte ich sie gehasst, denn ich wusste, sie erinnerte ihn an meine Mutter. Und ich wusste, er hatte die CD immer nur mit viel irischen Whiskey ertragen können, also hatten Flasche und CD immer schon zusammengehört. Ich lächelte, ja, so muss ich es glaube ich beschreiben: Ich lächelte. Vor mir stand die Flasche Connemara Peated Single Malt, zweiundzwanzig Jahre alt, sechsundvierzig Umdrehungen. Die Flasche musste ein halbes Vermögen gekostet haben und deswegen nahm ich mir vor, jeden einzelnen Schluck zu genießen. Ich nahm ein Glas aus meinem kleinen Schrank und stellte es neben meinem iPhone auf den kleinen Tisch neben der Coach. Ich wusste, ich würde es bereuen, aber bevor ich endgültig zum gemütlichen Teil des Abends übergehen konnte, musste eine Sache noch getan werden. Ich stöhnte und nahm mein iPhone in die Hand. So vielen Leuten hatte ich meine Handynummer auch nicht gegeben – irgendwie war ich doch gespannt, wer da was von mir wollte. Wichtig konnte es nicht gewesen sein, sonst hätte es die Person sicher ein weiteres Mal versucht. Und dann hörte ich eine Stimme einer Person, von der ich dachte, nie wieder etwas zu hören.

"Hi Nici, ich bin's, Cherry? Du weißt schon, Cherry Loster aus New Orleans."

Und ob ich wusste. Sie klang unglaublich vertraut, aber ungewohnt verunsichert.

"Lustige Geschichte, rufe gerade aus Folsom an und ich dachte, vielleicht, dass du … aber du bist nicht da. Weißt du was? Vergiss es, war eine blöde Idee."

Ich stöhnte, machte die Weihnachtsmusik wieder aus. Sah aus, als sei wieder jemand in Schwierigkeiten und klar, bei Schwierigkeiten hatte plötzlich jeder den alten Rich auf Kurzwahl …

 


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